Reißverschlussverfahren im Straßenverkehr

Amtsgericht München, Urt. v. 07.03.2012 – 334 C 28675/11

Das Amtsgericht München hatte die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein Autofahrer einen anderen Verkehrsteilnehmer auf seine Fahrspur einfahren lassen muss (sog. Reißverschlussverfahren).

Darum geht es:

Anfang September 2011 fuhr eine Autofahrerin mit ihrem VW Cabrio auf der Widenmayerstraße in München auf der linken von zwei Fahrbahnen. Ein Möbelwagen, der in der Straße auf eben dieser Spur parkte, zwang sie zum Halten.

Als sie auf die rechte Spur wechselte, kam es zu einem Zusammenstoß mit der Fahrerin eines Fiat Puntos. Die durch den Unfall entstandenen Schäden an Kotflügel, Stossfänger und dem vorderen rechten Rad wollte die Cabriobesitzerin von der Fahrerin des Fiat Punto ersetzt bekommen. Die Kosten für Reparatur, Sachverständigengutachten sowie Nutzungsausfall für zwei Tage betrugen insgesamt € 2.071.

Die Fahrerin des Fiat Punto und ihre Versicherung weigerten sich zu zahlen. Schließlich habe die Fahrerin des Cabrios nicht aufgepasst. Im Gegenteil, so entgegnete diese, die andere Fahrerin sei rücksichtslos und extrem unaufmerksam gewesen.

Wesentliche Entscheidungsgründe:

Das Amtsgericht München ist der Auffassung der Cabriofahrerin nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass der Unfall auf einem Spurwechsel der Klägerin beruht habe.

Wird eine Fahrbahn durch ein Hindernis blockiert und wechselt ein Autofahrer, der sich auf dieser Fahrbahn befindet, deshalb die Spur, muss er jede Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer ausschließen. Gegebenfalls müsse er anhalten oder vom Wechsel Abstand nehmen. Der Autofahrer, der die andere, freie, Spur benutzt, muss ihn nicht einfahren lassen. Das Reißverschlussprinzip gelte nur beim Wegfall einer Spur, nicht wenn die Weiterfahrt auf einer noch vorhandenen Spur blockiert sei. Das Urteil ist rechtskräftig.

Fazit:

Im Straßenverkehr ist es für die Haftungsverteilung bei einem Unfall von erheblicher Bedeutung , ob eine Spur endet oder ob auf dieser lediglich die Weiterfahrt blockiert ist. Nur bei Wegfall einer Spur sind die anderen Verkehrsteilnehmer verpflichtet das Reißverschlussverfahren zu beachten. Ein „Reindrängeln“ von einer blockierten Spur in der irrigen Annahme, man dürfe in die andere Spur einfahren, kann schnell ein teurer Irrtum werden.

Bei Fragen aus dem Straßenverkehrsrecht hilft Ihnen Rechtsanwalt Roggermeier gerne weiter.